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Die deutsche Inflation von 1914 bis November 1923 war eine der radikalsten Geldentwertungen in großen Industrienationen. Sie begann mit der Finanzierung des Ersten Weltkrieges. Zum Ende des Krieges hatte die Mark bereits offiziell mehr als die Hälfte ihres Wertes verloren. Eigentliche Ursache der schon ab 1919 beginnenden Hyperinflation war die massive Ausweitung der Geldmenge, um die Staatsschulden zu beseitigen. | Die deutsche Inflation von 1914 bis November 1923 war eine der radikalsten Geldentwertungen in großen Industrienationen. Sie begann mit der Finanzierung des Ersten Weltkrieges. Zum Ende des Krieges hatte die Mark bereits offiziell mehr als die Hälfte ihres Wertes verloren. Eigentliche Ursache der schon ab 1919 beginnenden Hyperinflation war die massive Ausweitung der Geldmenge, um die Staatsschulden zu beseitigen. | ||
Hauptlehrer [[Heinrich Gueth]] dokumentierte in der Schulchronik die rasante Teuerung im Jahr 1923. | Hauptlehrer [[Heinrich Gueth]] dokumentierte in der [[Schulchronik]] die rasante Teuerung im Jahr 1923. | ||
==Auszug aus der Schulchronik Seite 183-185== | |||
== | ===1. Januar=== | ||
Kartenbrot 265,- M | *Kartenbrot 265,- M | ||
Freibrot 600,- M | *Freibrot 600,- M | ||
1 Pfund Weißmehl 350,- M | *1 Pfund Weißmehl 350,- M | ||
1 Liter Rüböl 2000,- M | *1 Liter Rüböl 2000,- M | ||
1 Pfund Zucker 360,- M | *1 Pfund Zucker 360,- M | ||
*1 Pfund Rindfl. 700,- M | |||
Schweinefleisch 1000,- M | *Schweinefleisch 1000,- M | ||
Landbutter 1700,- M | *Landbutter 1700,- M | ||
Margarine 1100 – 1350,- M | *Margarine 1100 – 1350,- M | ||
1 Flasche Bier 150,- | *1 Flasche Bier 150,- | ||
Am 1. Januar ab kostet eine Fahrkarte IV. Klasse von Kyllburg nach St. Thomas 44,- M. Im Frieden 0,15 M | Am 1. Januar ab kostet eine Fahrkarte IV. Klasse von Kyllburg nach St. Thomas 44,- M. Im Frieden 0,15 M | ||
== | ===25. Juli=== | ||
Die Teuerung steigt ins Fabelhafte. z.B. | Die Teuerung steigt ins Fabelhafte. z.B. | ||
*1 Brot (3½ Pfund) 10.000 M | |||
1 Pfund Fleisch 50.000 M | *1 Pfund Fleisch 50.000 M | ||
1 Pfund Speck 90.000 M | *1 Pfund Speck 90.000 M | ||
1 Glas Bier 9.000 M | *1 Glas Bier 9.000 M | ||
1 Liter Milch 5.000 M | *1 Liter Milch 5.000 M | ||
alte Kartoffeln 150.000 M pro Zentner | *alte Kartoffeln 150.000 M pro Zentner | ||
1 Zigarre bis 8.000 M | *1 Zigarre bis 8.000 M | ||
1 Paar Schuhe bis 1.000.000 | *1 Paar Schuhe bis 1.000.000 | ||
1 Anzug 3-4 Millionen | *1 Anzug 3-4 Millionen | ||
1 Regenschirm ½ Million | *1 Regenschirm ½ Million | ||
Heute zahlt der Staat für 1 Zwanzigmarkstück in Gold 950.000 M, bald 1 Million. Der Golschmied zahlt dafür schon über 1 Million. | Heute zahlt der Staat für 1 Zwanzigmarkstück in Gold 950.000 M, bald 1 Million. Der Golschmied zahlt dafür schon über 1 Million. | ||
== | ===8. August=== | ||
Die Mark fällt immer schneller. Heute steht der Dollar zwischen 4+5 Million Mark! Da die Preise nach dem jeweiligen Dollarstande (leider!) berechnet werden, wurden die Preise der lebenswichtigsten Waren geradezu märchenhaft. Dabei lacht auf den Fluren eine Ernte, wie sie seit 25 Jahren nicht mehr zu verzeichnen war, und die Landwirte wissen nicht, wo sie den Futtersegen unterbringen sollen. Allenthalben sieht man Heumieten auf der Flur, ein sonst hier fast nie gesehener Anblick. | Die Mark fällt immer schneller. Heute steht der Dollar zwischen 4+5 Million Mark! Da die Preise nach dem jeweiligen Dollarstande (leider!) berechnet werden, wurden die Preise der lebenswichtigsten Waren geradezu märchenhaft. Dabei lacht auf den Fluren eine Ernte, wie sie seit 25 Jahren nicht mehr zu verzeichnen war, und die Landwirte wissen nicht, wo sie den Futtersegen unterbringen sollen. Allenthalben sieht man Heumieten auf der Flur, ein sonst hier fast nie gesehener Anblick. | ||
Der Eifeler Hof hat fast nur ausländische Gäste (viele!) Ein Inländer kann die Pension nicht bezahlen. | Der Eifeler Hof hat fast nur ausländische Gäste (viele!) Ein Inländer kann die Pension nicht bezahlen. | ||
*Rindfleisch pro Pfund 180.000-260.000 M | |||
Rindfleisch pro Pfund 180.000-260.000 M | *Schweinefleisch 360.000-400.000 M | ||
Schweinefleisch 360.000-400.000 M | *Speck, Schinken 400.000-450.000 M | ||
Speck, Schinken 400.000-450.000 M | *Dauerwurst 400.000 M | ||
Dauerwurst 400.000 M | *3 Pfund Markenbrot 30.000 M | ||
3 Pfund Markenbrot 30.000 M | *3 Pfund Markenbrot 150.000 M | ||
3 Pfund Markenbrot 150.000 M | *Butter 300.000 M | ||
Butter 300.000 M | *1 Dtzd Eier 240.000 M | ||
1 Dtzd Eier 240.000 M | *1 Glas Bier (dünn!) 25.000 M | ||
1 Glas Bier (dünn!) 25.000 M | *1 Glas Spezialbier 30.000 M | ||
1 Glas Spezialbier 30.000 M | *1 Cigarre (rauchbar!) 15.000 M | ||
1 Cigarre (rauchbar!) 15.000 M | *1 Cigarette 5.-10.000 M | ||
1 Cigarette 5.-10.000 M | *1 Paar Schuhe 4-8 Million Mark | ||
1 Paar Schuhe 4-8 Million Mark | *1 Anzug 20 Million Mark | ||
1 Anzug 20 Million Mark | |||
Heute zahlt man für ein 20 M Stück in Gold 6-7 Million Mark!!! | |||
== | ===10. August=== | ||
Auf dem Wochenmarkte in Trier, | Auf dem Wochenmarkte in Trier, [...], forderte der Landwirt Bungert von Kyllburgweiler für ein Pfd, Butter 3.000.000 M, worauf man rief: „Hängt den Schuft, den Wucherer an den nächsten Baum.“ Dann wurde der Preistreiber verprügelt. | ||
== | ===23. August=== | ||
Das Elend schreitet weiter! Heute stand der Dollar zeitweise auf 8 Millionen Mark, der fr. Fros. auf 425.000. Demnach stellten sich die Preise. | Das Elend schreitet weiter! Heute stand der Dollar zeitweise auf 8 Millionen Mark, der fr. Fros. auf 425.000. Demnach stellten sich die Preise. | ||
Rauchfleisch 1 Pfund 2 Million Mark | *Rauchfleisch 1 Pfund 2 Million Mark | ||
Rindfl. 1 Pfund 1½ Million Mark | *Rindfl. 1 Pfund 1½ Million Mark | ||
Markenbrot 175.00 M! u.s.w. | *Markenbrot 175.00 M! u.s.w. | ||
== | ===13. September=== | ||
1 Dollar bis 140.000.000 M! Das sagt alles. Da nur mehr nach dem Dollarstande verkauft wird, sind die Preise märchenhaft. | 1 Dollar bis 140.000.000 M! Das sagt alles. Da nur mehr nach dem Dollarstande verkauft wird, sind die Preise märchenhaft. | ||
Markenbrot 1.000.000 M | *Markenbrot 1.000.000 M | ||
Butter 25 Million | *Butter 25 Million | ||
1 Pfund Schmalz bis 42 Million Mark | *1 Pfund Schmalz bis 42 Million Mark | ||
1 Glas dünnes Bier 2½ Million Mark. etc. | *1 Glas dünnes Bier 2½ Million Mark. etc. | ||
== | ===7. November=== | ||
Der Dollar steht 16.000.000.000.000 - Geschrieben sechzehn Billion Mark, der franz. Franken ein Billion. Kein Mensch kann mehr mit Mark kaufen und niemand gibt für Mark etwas her. | Der Dollar steht 16.000.000.000.000 - Geschrieben sechzehn Billion Mark, der franz. Franken ein Billion. Kein Mensch kann mehr mit Mark kaufen und niemand gibt für Mark etwas her. | ||
1 Glas Bier ½ Billion Mark! u.s.w. | *1 Glas Bier ½ Billion Mark! u.s.w. | ||
In Amerika und England wird die Mark als voll wertlos nicht mehr gehandelt. | In Amerika und England wird die Mark als voll wertlos nicht mehr gehandelt. | ||
Die Armut ist grenzenlos, die Not ungeheuer. | Die Armut ist grenzenlos, die Not ungeheuer. | ||
Verhältnismäßig billig ist noch das verbilligte Markenbrot: es kostet heute aber immerhin 60.000.000.000 M. (60 Milliarden M) verbilligt!!!! | Verhältnismäßig billig ist noch das verbilligte Markenbrot: es kostet heute aber immerhin 60.000.000.000 M. (60 Milliarden M) verbilligt!!!! | ||
== | ===16. November=== | ||
heute: 400 Milliarden | heute: 400 Milliarden | ||
==Ende der Inflation== | ==Ende der Inflation== | ||
Währungstechnisch wurden die Inflation am [[15. November]] [[1923]] durch die Ablösung der Papiermark mit Einführung der Rentenmark beendet. Tatsächlich mussten die am 15. November 1923 gültigen Papiermarkscheine aber noch bis Anfang 1925 als wertstabiles Notgeld (Kurs: 1 Billion Mark = 1 Rentenmark) dienen, denn die neue Rentenmark konnte nur langsam in Umlauf gesetzt werden. | Währungstechnisch wurden die Inflation am [[15. November]] [[1923]] durch die Ablösung der Papiermark mit Einführung der Rentenmark beendet. Tatsächlich mussten die am 15. November 1923 gültigen Papiermarkscheine aber noch bis Anfang 1925 als wertstabiles Notgeld (Kurs: 1 Billion Mark = 1 Rentenmark) dienen, denn die neue Rentenmark konnte nur langsam in Umlauf gesetzt werden. | ||
[[Kategorie: | [[Kategorie:Chronik]] |
Aktuelle Version vom 23. September 2020, 11:24 Uhr
Die deutsche Inflation von 1914 bis November 1923 war eine der radikalsten Geldentwertungen in großen Industrienationen. Sie begann mit der Finanzierung des Ersten Weltkrieges. Zum Ende des Krieges hatte die Mark bereits offiziell mehr als die Hälfte ihres Wertes verloren. Eigentliche Ursache der schon ab 1919 beginnenden Hyperinflation war die massive Ausweitung der Geldmenge, um die Staatsschulden zu beseitigen.
Hauptlehrer Heinrich Gueth dokumentierte in der Schulchronik die rasante Teuerung im Jahr 1923.
Auszug aus der Schulchronik Seite 183-185
1. Januar
- Kartenbrot 265,- M
- Freibrot 600,- M
- 1 Pfund Weißmehl 350,- M
- 1 Liter Rüböl 2000,- M
- 1 Pfund Zucker 360,- M
- 1 Pfund Rindfl. 700,- M
- Schweinefleisch 1000,- M
- Landbutter 1700,- M
- Margarine 1100 – 1350,- M
- 1 Flasche Bier 150,-
Am 1. Januar ab kostet eine Fahrkarte IV. Klasse von Kyllburg nach St. Thomas 44,- M. Im Frieden 0,15 M
25. Juli
Die Teuerung steigt ins Fabelhafte. z.B.
- 1 Brot (3½ Pfund) 10.000 M
- 1 Pfund Fleisch 50.000 M
- 1 Pfund Speck 90.000 M
- 1 Glas Bier 9.000 M
- 1 Liter Milch 5.000 M
- alte Kartoffeln 150.000 M pro Zentner
- 1 Zigarre bis 8.000 M
- 1 Paar Schuhe bis 1.000.000
- 1 Anzug 3-4 Millionen
- 1 Regenschirm ½ Million
Heute zahlt der Staat für 1 Zwanzigmarkstück in Gold 950.000 M, bald 1 Million. Der Golschmied zahlt dafür schon über 1 Million.
8. August
Die Mark fällt immer schneller. Heute steht der Dollar zwischen 4+5 Million Mark! Da die Preise nach dem jeweiligen Dollarstande (leider!) berechnet werden, wurden die Preise der lebenswichtigsten Waren geradezu märchenhaft. Dabei lacht auf den Fluren eine Ernte, wie sie seit 25 Jahren nicht mehr zu verzeichnen war, und die Landwirte wissen nicht, wo sie den Futtersegen unterbringen sollen. Allenthalben sieht man Heumieten auf der Flur, ein sonst hier fast nie gesehener Anblick.
Der Eifeler Hof hat fast nur ausländische Gäste (viele!) Ein Inländer kann die Pension nicht bezahlen.
- Rindfleisch pro Pfund 180.000-260.000 M
- Schweinefleisch 360.000-400.000 M
- Speck, Schinken 400.000-450.000 M
- Dauerwurst 400.000 M
- 3 Pfund Markenbrot 30.000 M
- 3 Pfund Markenbrot 150.000 M
- Butter 300.000 M
- 1 Dtzd Eier 240.000 M
- 1 Glas Bier (dünn!) 25.000 M
- 1 Glas Spezialbier 30.000 M
- 1 Cigarre (rauchbar!) 15.000 M
- 1 Cigarette 5.-10.000 M
- 1 Paar Schuhe 4-8 Million Mark
- 1 Anzug 20 Million Mark
Heute zahlt man für ein 20 M Stück in Gold 6-7 Million Mark!!!
10. August
Auf dem Wochenmarkte in Trier, [...], forderte der Landwirt Bungert von Kyllburgweiler für ein Pfd, Butter 3.000.000 M, worauf man rief: „Hängt den Schuft, den Wucherer an den nächsten Baum.“ Dann wurde der Preistreiber verprügelt.
23. August
Das Elend schreitet weiter! Heute stand der Dollar zeitweise auf 8 Millionen Mark, der fr. Fros. auf 425.000. Demnach stellten sich die Preise.
- Rauchfleisch 1 Pfund 2 Million Mark
- Rindfl. 1 Pfund 1½ Million Mark
- Markenbrot 175.00 M! u.s.w.
13. September
1 Dollar bis 140.000.000 M! Das sagt alles. Da nur mehr nach dem Dollarstande verkauft wird, sind die Preise märchenhaft.
- Markenbrot 1.000.000 M
- Butter 25 Million
- 1 Pfund Schmalz bis 42 Million Mark
- 1 Glas dünnes Bier 2½ Million Mark. etc.
7. November
Der Dollar steht 16.000.000.000.000 - Geschrieben sechzehn Billion Mark, der franz. Franken ein Billion. Kein Mensch kann mehr mit Mark kaufen und niemand gibt für Mark etwas her.
- 1 Glas Bier ½ Billion Mark! u.s.w.
In Amerika und England wird die Mark als voll wertlos nicht mehr gehandelt. Die Armut ist grenzenlos, die Not ungeheuer.
Verhältnismäßig billig ist noch das verbilligte Markenbrot: es kostet heute aber immerhin 60.000.000.000 M. (60 Milliarden M) verbilligt!!!!
16. November
heute: 400 Milliarden
Ende der Inflation
Währungstechnisch wurden die Inflation am 15. November 1923 durch die Ablösung der Papiermark mit Einführung der Rentenmark beendet. Tatsächlich mussten die am 15. November 1923 gültigen Papiermarkscheine aber noch bis Anfang 1925 als wertstabiles Notgeld (Kurs: 1 Billion Mark = 1 Rentenmark) dienen, denn die neue Rentenmark konnte nur langsam in Umlauf gesetzt werden.